Wir melden uns bereits aus Lijiang. Bereits! Ja genau..
Litang verliessen wir mit meintlich erholten Muskeln, mental gestärkt und gut genährt. Der erste Fahrtag war ziemlich einfach. Ein kurzer Aufstieg aber sonst geradeaus oder leicht abwärts. Die Sonne, stahlblauer Himmel leider aber ein kühler, böhiger Gegendwind waren unsere Begleiter. Unterhalb des ersten Aufstiegs fanden wir einen „hiube“ Zeltplatz. Mit den letzten wärmenden Sonnenstrahlen richteten wir unser Nachtlager ein und Pädu bereitet wieder ein leckeres Essen. Wir schliefen lange – Kälte macht müde und am Morgen war das Zelt wiederum vereist. Alles nicht weiter tragisch, kennen wir ja bereits.
Der Aufstieg am zweiten Tag war alles andere als easy. Kurze Distanz, 800 Höhenmeter und einen saukalten, ekligen Gegenwind blies uns den ganzen Tag um die Ohren. Pädu strampelte, nicht schnell aber stetig, zum Gipfel, ich hingegen musste schon bald auf Fahrradwandern umstellen – zu viel Wiederstand für mich. Fahrradwandern mit Klickschuhen ist alles andere als angenehm und zusätzlich belastete es die Arme und Schultern. Praktisch den ganzen Tag benötigten wir für die paar Km und endlich oben angekommen, stellten wir fest, dass es auf der anderen Seite recht schwierig sein wird, einen geeigneten Zeltplatz zu finden. Doch das Glück verlies uns auch diesmal nicht und wir fanden Unterschlupf bei den Strassenarbeitern. Wir wurden sogar verköstigt und schliefen wohlig im Einzelbett zu zweit aneinander gekuschelt wieder viele Stunden. Sobald es dunkel wird, geht man in China schlafen. Das ergibt ab 8 Uhr abends bis morgen um 7.30 Uhr etliche Stunden.
Richtig garstig wars am dritten Tag. Bedeckter Himmel, eisig kalt, Schneefall und ohne Frühstück radelten wir so rasch wie möglich wärmeren Gegenden zu. Am Mittag in Sangdui wars bereits wieder sonnig aber dieser Wind wollte uns nicht loslassen. Die Kälte raubt Energie und der murksige Aufstieg vom Vortag waren genug, um zu folgender Entscheidung zu kommen. Wir lassen uns ein weiteres Mal transportieren. 2 Personen, 2 Fahrräder, 80 Km, 3 h Fahrt, 2x Pinkelpause, 2x Fotostop – das alles für nur 13 Fr., da ist nichts zu meckern. Die Strecke führte wiederum über einen Pass mit zum Teil nicht alsphaltierter Strasse. Ich war heilfroh, Pädu schlussendlich auch, über den Entscheid.
In Xiangbala angekommen, buchten wir gleich für den Folgetag eine Busfahrt bis nach Shangri-La, denn die Pässe wollten nicht enden und weniger steil und anstrengend wurde es auch nicht. Auch die Busfahrt war super günstig – 15 Fr. / 2 Personen, diesmal 200 Km, mehrere Pinkelpausen, Fotostops und Mittagspause. Die Fahrräder seien kein Problem, nur der Preis müsse mit dem Chauffeur ausgehandelt werden.
Das Zimmer für die kurze Nacht war riesig – so viel Platz hatten wir schon lange nicht mehr, leider mussten wir früh aus den Federn. Die Busfahrt startete um 6.10 h, eintreffen am Busbahnhof um 5 h. Wir nahmen es mal nicht so mit der schweizerischen Pünktlichkeit und standen um 5.15 h vor verschlossener Türe. 5.35 h rauschte die Blechtüre auf und um 5.55 h erschien der gähnende Buschauffeur. Er war bald hellwach als er die beiden vollbepackten Fahrräder sah. Pro Tasche und Fahrrad wollte er nun 9 Fr. . Pädu wie immer blieb ruhig und setzte die Coolman-Miene auf und verhandelte schlussendlich 9 Fr. für das ganze Gepäck und basta. Wir mussten alles selber im Busbauch einladen und befestigen (in Shangri-La wussten wir dann auch wieso – dazu aber etwas später) und um 6.30 h konnte die Reise endlich starten.
Kurz ausserhalb des Ortes war die Reise aber auch schon zu Ende. Eine Schlamm- und Steinlawiene versperrte die Strasse und ein Räumungsversuch war nur langsam im Gange. Das hiess im kalten Bus warten und hoffen, dass da bald was passieren wird. Eine Stunde später konnte die Reise auch wirklich beginnen. Ja das war was. Über sicher 4 Pässe alle über 4000müm und dazu eine unbefestigte Strasse, die ich dann wieder fahrradwandernd begehen hätte, führte uns die 9 stündige Busfahrt nach Shangri-La.
9 Stunden lang machten wir uns Sorgen um unsere Fahrräder. Die Strasse war nicht nur unbefestigt, es hatte auch arge Schlaglöcher. War es ein Fehler uns transportieren zu lassen? Für was haben wir nun in Chengdu die Räder durchchecken lassen? Alles kaputt? Kratzer? Was bricht bei diesem Geholpper alles ab? Fahrrad in zwei Stücke?
Shangri-La ist wiederum sehr touristisch. In einem gemütlichen Hostel fanden wir Unterschlupf und trafen auf vier andere Cyclists. Ein Ehepaar aus Frankreich und ein Paar aus der Türkei (er Franzose und sie Türkin). Mit Englisch unterhaltend verbrachten wir einen gemütlichen Abend mit einem Gläschen Wein – wieder einmal – und vergassen schnell unseren Höllentrip.
Ach ja den Fahrrädern geht es gut. Meins hat einen Kratzer am Ramen und mein aufgeklebter Pandabär auf dem Schutzblech viel ab. Der Kratzer nicht wirklich schlimm und der Panda ist schnell wieder aufgeklebt. Pädu’s Vorderrad wies einen tiefen und breiten Kratzer über den Pneu und Felgen auf. Jedoch bremstechnisch kein Problem und der Pneu ist immer noch intakt. Glück gehabt – uff.
Wir gönnten uns zwei Nächte in Shangri-La. Zu sechst gings weiter Richtung Lijiang. Alles auf einer Nebenstrasse ohne grossen Verkehr durch Pinienwälder mit Weitsicht auf die 5000-Berge mit Schneespitzen. Das Wetter spielte immer noch mit. Am morgen sehr fröstlig, sobald die Sonne schien aber T-shirt-Wetter und abends ums Lagerfeuer wohlig warm. Zu sechst radeln entspannt und wir genossen es mal in Gesellschaft zu sein. Das hatten wir ja bis hierhin noch nie.
Nach drei Zeltnächten entschieden wir eingangs Tiger Leaping Gorge im Hostel abzusteigen. Die anderen reisten weiter. Wir besuchten morgens die Gorge und am Nachmittag wanderten wir für 4 Stunden zusammen mit den Ziegen über Stock und Stein. Mal wandern anstelle von strampeln tat Gutes.
Die Tiger Leping Gorge ist eine etwa 15 Kilometer lange Schlucht im Norden der chinesischen Provinz Yunnan. Der Legende nach soll ein Tiger die Schlucht an ihrer engsten Stelle über einen Felsblock in der Flussmitte mit zwei Sprüngen überwinden können. Misst man den Höhenunterschied vom tiefsten Punkt zum höchsten, ist sie mit rund 3900 m Höhenunterschied die tiefste Schlucht der Welt.
Nach weiteren zwei Tagen erreichten wir gestern Lijiang. Damit die Altstadt besichtigt werden kann, wird Eintrittsgeld verlangt – nicht gerade wenig. Die Altstadt besteht aus unzähligen Übernachtungsmöglichkeiten, Touristenständen und Fressecken. Herrlich kitschig beleuchtet, bieten sie Tanzshows an und Kaffees und Bars laden zum verweilen ein.
Die Altstadt von Lijiang ist von engen Kopfsteinpflastergassen und einem Netz an Kanälen durchzogen. Sie ist eine der am besten erhaltenen Altstädte Chinas. Die alten Häuser ruhen meist auf einem Steinfundament und Mauern aus weiß getünchten Lehmziegeln, haben Türen, Balkone und Fensterläden aus rotem Holz und typisch geschwungene Ziegeldächer. Seit 1997 hat das alte Stadtzentrum Lijiangs den Status des UNESCO-Weltkulturerbes. Zudem ist die Altstadt das frühere Zentrum der Naxi-Minderheit.
Die Naxi sind eine der 55 ethnischen Minderheiten, die von der chinesischen Regierung offiziell anerkannt werden. Ursprünglich aus dem Nordwesten Chinas migrierten sie in tibetische Gebiete um saftiges Grassland zu bevölkern. Zudem betrieben die Naxi die nicht ungefährliche Handelsroute zwischen China, Lhasa und Indien, besser bekannt als die TeaHorseRoad.
Die TeaHorseRoad war ein Handelsweg zwischen den chinesischen Provinzen Yunnan und Sichuan im Osten und Tibet und Indien im Westen. Manchmal wird sie auch Südliche Seidenstraße genannt. Die wichtigsten Güter waren Tee aus China, von dem der größere Teil nach Tibet und der kleinere Teil nach Indien ging, und Pferde aus Tibet, die in China vorallem für die Armee gebraucht wurden.
Zusammengefasst, sind wir froh den südwestlichen Ausläufer des Himalayagebirges überquert und hinter uns gelassen zu haben. Nun freuen wir uns auf die kommenden tieferen Gegenden, auch wenn uns hier sicher der einte oder andere Anstieg noch erwartet. Die Temperaturen sollten jedoch wieder über die 20° Marke klettern wobei die Luftfeuchtigkeit mitsteigt.
Heute ist Wasch- und Einkaufstag angesagt. Morgen gehts weiter Richtung Dali -Kunming. Ca in 10 Tagen möchten wir dieses Ziel erreichen und die Fahrräder für ein paar Tage deponieren. Die Flüge für unseren Sidetrip nach Hongkong sind gebucht (20. – 26.11.).
Von all dem berichten wir gerne, wie bereits erwähnt, in ca 10 Tagen. Bis bald.
Liebe Grüsse,
Cornelia & Patrik
7. November 2016 at 11:08
Was einem nicht umbringt, macht einem stark. Weiterhin toi, toi, toi
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7. November 2016 at 18:14
Liebe Cornelia,
lieber Patrik,
wir staunen immer wieder, wie ihr in dieser doch fremden Welt mit all den Herausforderungen zurecht kommt. Vielleicht deshalb, weil nach x Tausend km sich eine gewisse Routine eingestellt hat, wie man aufkommende Problem angeht. Es könnte auch sein, dass das Vertrauen in die eigenen Kräfte und Möglichkeiten gewachsen ist, ein Kapital, das ihr auf dieser Reise aufbaut, und das ihr sicher nach Hause bringen könnt. Man ist ja beim Lesen eurer spannenden Zeilen immer wieder versucht, sich selber in die geschilderte Lage zu versetzen. Und da kommt schon gelegentlich Fernweh auf. Nach dem Dach der Welt, das ihr nun über eine lange Distanz befahren habt, nach Schluchten so tief, dass einem schwindlig wird, und nach alten Städten, die einem selbst auf Google Earth beeindrucken, wie geordnet sie aufgebaut sind. Da liegt die vergessene Kultur, die wir bei dem chinesischen Boom der letzten Jahrzehnte leicht vergessen, Sie stehen für die Fähigkeit dieses Volkes, schon in historischer Zeit Grosses zu bauen, Strassen anzulegen, die gewaltige Gebirgsmassive überwinden und grosse Wirtschaftsräume erschließen und verbinden. Eine Konstante in der chinesischen Geschichte ist es, Kontrolle über das Reich zu haben und Ordnung zu schaffen. Dies erreicht man durch die Erschliessung der Provinzen mit Straßen und die Errichtung administrativer Strukturen und Ordnungskräften, die verhindern, dass Unordnung aufkommt und Chaos entsteht. Das ist bis auf den heutigen Tag die grösste Sorge der chinesischen Führung, der Partei, die Prävention mit Repression betreibt.
Morgen entscheidet sich in den USA auch, ob das höchste Amt in Amerika wieder ein Stück Glanz zurückgewinnt, oder definitiv den Glanz und mit ihm den Anspruch verliert, eine globaleFührungsmacht zu sein. Für die chinesische Führung ist aber nach diesem Wahlkampfdebakel längst entschieden, dass die grösste Demokratie der Welt zumindest ihren missionarischen Anspruch zurücknehmen muss.
Gute Fahrt und bleibt gesund!
Herzlich Liselotte und Paul
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