Nach einem angenehmen Flug nach Lissabon, hatte mich der Europäische Kontinent wieder fest im Griff. Und wie. Nach fast 6 Monaten in Nordamerika habe ich das Gefühl, das Leben sprudle so richtig aus allen Poren der Stadt. Und so musste ich mich bei der ersten Gelegenheit einfach mal hinsetzten und dem Treiben zuschauen. Denn Zeit hatte ich ja genügend.

Körndle landete gegen Mittag, wobei ich kurz davor bereits unser Apartment für die Tage beziehen konnte. Da ich im Flieger lieber Filme geschaut habe, als zu Schlafen, legte ich mich erst mal für ein paar Minuten hin. Denn das Wiedersehen war freudig und das wollten wir doch gleich mit einem Apéro begiessen. Also raus auf die Gasse und rein in die erste Stube. Gut, mit der lokalen Sprache haperte es noch ein wenig, aber welcher Beizer versteht schon nicht, was zwei durstige Ausländer an seinem Tressen wollen.

Erste Bedürfnisse gestillt, ging’s weiter ans Abendessen. Zum Glück isst man in Portugal früher als in Spanien und so waren wir nicht die Einzigen als wir um 20:00 das Restaurant betraten. Was uns dann alles aufgetischt wurde, lies erahnen, dass uns der Kellner entweder als ausgehungert oder als Goldesel betrachtet. Gegessen und getrunken haben wir alles was uns aufgetischt wurde (ohne dabei unser Budget zu strapazieren). Wir lieben Portugal.

Die Tage in Lissabon flogen nur so dahin. Zum Einten, weil es da sooo viel zu Entdecken gibt, zum Andern, weil uns der Wind doch ziemlich stark um die Ohren blies. Und so kam nach 4 Tagen sonne und viel Essen bereits wieder der Moment der Abschiedsnahme. Ja, wieder einmal nahm ich Abschied von Körndle und wieder einmal auch vom schönen Wetter. Kaum aus dem Haus und auf dem Fahrrad, prasselte die ersten Regenschauer auf mich nieder.

War in USA das hilfreiche und zahlreiche Netzwerk an Warmshowers mein Motivator, so bildete dies die einzelnen Pilgerherbergen auf der Iberischen Halbinsel. Auf jeden Fall konnte ich jeden Abend auf ein trockenes Dach zählen. So radelte ich los, auf dem Jakobsweg, nach Santiago de Compostela.

Erstes Highlight war der Pilgerort Fatima. Gleichgestellt mit Lourdes, ist der Ort einer der wichtigsten Christlichen Schauplätze für jegliche Zeremonien. Die Anlage um die Grotte (wo ein paar Hirtenkinder die Maria erschienen ist) ist eindrücklich und lädt zur Stille ein. Wobei die Marktstände und Hotels ausserhalb der Anlage eher das Gegenteil bewirken. Eigentlich hatte ich nicht vor hier zu Nächtige, doch der Regen zwang mich regelrecht dazu. Und normalerweise quartiert die Pilgerherberge hier keine Velofahrer ein. Als der gute Mann aber sah wie ich pitschnass dastand, hatte er doch erbarmen mit mir.

Weiter ging’s nach Porto. Wichtig war, das ich immer wieder einen Stempel für meinen Pilgerausweis einholte. Denn ohne Stempel keine Übernachtung. Hacken war aber, dass am Sonntag so alles zu ist, was zu sein kann. Und auch in der Kirche ist entweder Gottesdienst (dann sind alle Beschäftigt) oder kein Gottesdienst (dann sind alle zu Hause). Aber ich kann euch beruhigen, draussen pennen musste ich nie. Denn die meisten Pilgerherbergen waren eh zur Hälfte leer. Und so kam es, dass in einzelnen Orten mehr Bettwanzen anwesend waren, als Menschen.

Ja, die Bettwanzen haben mich auch erwischt. Und die beissen wie Sau. Einziges Gegenmittel, entweder ne Kochwäsche oder die Klamotten in die Tiefkühltruhe legen. Hat bei mir jedenfalls genutzt.

So erreichte ich bei strömendem Regen die Kirche von Santiago de Compostela. So zu sagen „Ground 0“ für Pilgerer. Irgendwie fühlte ich mich aber nicht so richtig wie einer von denen. War’s, weil ich mit dem Fahrrad unterwegs bin oder weil für mich hier nicht Ende ist? Ich weiss es nicht. So verkroch ich mich in die Herberge und blieb dort 2 Nächte ohne mich gross zu bewegen. Einzige Anstrengung war der Gang zum Supermarkt, das Kochen und die Weinflasche öffnen.

Auf dem spanischen Teil, dem Camino Frances erwarteten mich 2 Pässe auf über 1500müm. Pilgerer welche Richtung Santiago wanderten, warnten mich bereits vor evt. Schneefällen. Und ja, kalt genug war es. Das Glück war mir jedoch holde und so fror ich mir auf dem ersten Pass zwar alles ab, was so ein Pilgerer „nicht“ braucht, auf dem Zweiten wurde ich aber mit einer bomben Aussicht belohnt.

Und so radelte ich weiter Richtung Burgos, wo ich einen meiner/unseren Bekanntschaften von unterwegs treffen sollte. Rober lernte ich auf Hawaii kennen, wo wir gemeinsam auf den Weiterflug warteten. In der nähe von Burgos besitzt er einen selber gebauten Weinkeller mit zwei Zimmer zum Übernachten. Und so war ich für 2 Tage Herr über einen ganzen Weinkeller. Unter der Woche arbeitet Rober aber in Vitoria und so konnte ich da auch noch gleich eine Nacht bei ihm reinschlüpfen. Und weiter ging’s mit Bekanntenbesuche. In der nähe von Bergara wohnen Ugaitz und seine Familie. Ugaitz trafen wir mit seinem Bruder auf dem Pamir Highway. Ja, das war bereits ne Weile her. Doch alte Liebe rostet nicht und so hiessen sie mich für 2 Nächte willkommen. Logieren wurde in ihrer Wohnung im Ort, gegessen aber meist bei den Eltern auf dem Hof, oberhalb des Dorfes. Und da durfte ich mich so richtig eingeben, von Holzfällen bis Esel füttern stand alles auf dem Plan.

Nach diesem kleinen „Umweg“ radelte ich wieder zurück zum eigentlichen Camino Frances. Denn hier sollte mich etwas erwarten, wovon ich in den letzen Tagen bereits geträumt hatte. Mein persönlicher Jungbrunnen – die Fuente del Vino nahe Estella. Und Ja, das rote Gold fliesst hier frei und unlimitiert am Hahn in der Wand. Gerüstet mit einem 1/2l „Einmach“Glass und einem riesen Durst pilgerte ich von der Herberge zum Brunnen, um danach voll (in allen Belangen) wieder zurück zu kehren.

Ab Estelle ging es ziemlich schnell und ich stand bereits am Fuss der Pyrenäen. Nochmal ne kleine, gemütliche Pilgerherberge wollte ich für letzte Nacht in Spanien ansteuern. Ausgemacht war Diese schnell, erreicht aber nicht so. Die letzten 2km ging’s nochmals 200m hoch (was eine durchschnittliche Steigung von 10% ergibt). Am nächsten Morgen ging es dann hoch in die Pyrenäen um diese in Richtung Toulouse zu überqueren. Wiedermal war Schnee ein Thema und wiedermal war es bitter kalt.

Frankreich empfing mich aber freundlich und zuvorkommend. Unterschlupf fand ich in einem Kloster wo nebst den beiden Brüdern eine Gesellschaft an Männern ein Zuhause gefunden hat, welche ebenfalls rastlose durch die Welt wanderten.

Meine Zeit zu bleiben war aber noch nicht gekommen!

Und obschon ich bereits seit Mitte Dezember zu Hause bin, müsst ihr euch für den letzten Teil noch etwas gedulden.

Lieber Gruss,

Patrik

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