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Mit Sushi und Schafspelz

Aufbruch zu neuen Horizonten

Monat

Juli 2017

Baltikum, langweilig schön!

Mit langweilig schön zitiere ich eine ehemalige Arbeitskollegin von Pädu bei Biketech, Flyer. Damals beim Abschiedskaffee schwärmte Marlis von dieser Gegend, vor allem Estland und sagte abschliessend es sei einfach langweilig schön. Darunter konnten wir uns nur vage was vorstellen. Doch heute in Tallinn, fast am Ende der Reise durch’s Baltikum, können wir es ganz klar bestätigen und würden es auch unterschreiben: definitiv sehr schön aber anhaltend dann doch langweilig.

Die Landschaft ist immer grün, die Strassen verlaufen durch Wälder, entlang Raps- und Kornfeldern oder entlang satter, grünen Wiesen. Solange kein Regen fällt, ist es oben blau, unten grün. Dieses Bild zog sich nun wirklich seit Polen hin, bis nach Tallinn, wo wir im Moment gerade weilen.

Die Grenze nach Litauen überquerten wir beim Dreiländereck Polen, Kaliningrad (Russland) und Litauen. In Polen schien noch die Sonne, just ein paar Meter nach der Grenze begrüsste uns Litauen mit starkem Regen. Eigentlich wollten wir im Zelt übernachten doch dieses Vorhaben verwarfen wir rasch. Im Ort Vistytis hofften wir auf eine Unterkunft. Im einzigen Gästehaus war eine Hochzeit im Gange – geschlossene Gesellschaft. Schlussendlich landeten wir in einem ehemaligen Imbissrestaurant/Bar mit ein paar Betten im Obergeschoss und einer noch funktionstüchtigen Küche. Unser Abend war gerettet.

Bereits am nächsten Tag freuten wir uns auf eine private Übernachtung. Victoria und ihre Eltern nahmen uns für eine Nacht auf ihren Bauernhof. Es war ein Vergnügen, sich mit Victoria über Land und Leute zu unterhalten, während ihre Mutter uns reichhaltig bekochte. Endlich konnten wir unsere Mägen nach tagelangem Linsen schlürfen wiedermal mit reichhaltiger Hausmannskost vollhauen. Die Speise welche uns serviert wurde ähnelte verdächtig unseren Capuns und schmeckte einfach hervorragend. Und als wir nach einem kleinen Spaziergang zu Victorias Summerhaus (ein Chalet im Grünen) nach einem Kaffee fragten, kriegten wir nicht nur dieses sondern serviert dazu: Käse, Honig, Marmelade, Brot, Keckse, Schoggi, Glace, usw. Ein wahres Festessen.

Übertrumpft wurde der Abend am nächsten Morgen. Victoria offenbarte uns, dass es Hühnchen gibt. Hmm, Hühnchen zum Frühstück?! Und ja, Frühstück war Hühnchen mit Reis, Bulgur, Kohlsalat, Gurken&Tomaten, belegte Brötchen mit Lachs und Wurst, usw. Einfach unglaublich was uns hier geboten wurde. Victorias Mutter meinte nur, wer weit radeln will muss auch was essen. Recht hat sie 🙂  

Bis nach Riga, dies dann bereits in Lettland, hatten wir wechselhaftes Wetter. Die Sonne kämpfte, nur auch der Regen oder zumindest der Niesel hatte seinen täglichen Auftritt. So zu radeln macht auf die Dauer keinen Spass. Obschon unsere Regenkleider sind top aber die gute Laune aufrechtzuerhalten war schwierig. Die Balten sind sich aber einig. Das Wetter ist definitiv völlig atypisch. Im Sommer ist es meistens zwischen 25-27 Grad und kaum Regen.

Riga ist eine Reise wert. Angekommen bei wiederum ströhmendem Regen, verbrachten wir zwei sonnige und geschichtsträchtige Tage. Wir besuchten das ehemalige KGB-Gebäude. Was hinter dessen Mauern abging, ist wiederum ein trauriger Abschnitt sowietischer Geschichte. Menschen die an diesen Ort einberufen wurden, verschwanden meist spurlos. Die „Glücklicheren“ unter ihnen erhielten eine Fahrkarte nach Sibirien, die dem Staat Nutzlosen oder Gefährlichen, eine Kugel in den Kopf. 

Ironie des Schicksals: Da heute mehr als 40% Russen in Lettland leben, feiert man den Tag der Befreiung vom Deutschen Reich als Feiertag, obschon Lettland bis 1990 unter der Russichen Besatzung nicht weniger unterdrückt wurde. 
Riga ist aber ein Ort voller cooler Bars & Cafes. Die Strassen voller Leben und Altstadt voller Historie. Am Freitag wollten wir uns einem Friday-Night-Ride anhängen. Einer Velo-Ausfahrt also. Start war um 22:00. Mit den langen Tagen des Nordens war der späte Start auch ok. Wir erhofften uns jedoch einen easy Ride durch die Stadt, wobei die Organisatoren eher an einen längeren Ausflug durch die Nacht dachten. Als wir dies realisierten, waren wir zwar bereits 20km aus der Stadt, für uns aber Zeit umzudrehen. Und nach einem Bier versöhnten wir uns auch mit diesem Vorhaben. 

Wir sind nun wieder vermehrt am wild Campen. Die Landschaft eignet sich hervorragend dafür, auch wenn die Mücken ihre wahre Freude daran haben. Ohne Mückenspray, ein Ding der Unmöglichkeit. Die Dämmerung und Feuchtigkeit sind beides top klimatische Vorraussetzungen für die lieben Plaggeister. Wir geben das Terrain dann meistens frei und verkriechen uns im Innenzelt – Mücken-freie-Zone.

In Pärnu quartierten wir uns in ein Hostel. Zu Fuss gings am nächsten Tag auf Entdeckungstour. Die Stadt hat eine kleine aber schöne Altstadt und einen, für nördliche Verhältnisse sogar zum Sonnentanken einladenden Strand (mit Kite-Surf Event). Der Regen verscheuchte uns ins nächste Lokal, wo wir das schlechte Wetter bei Hamburger und Bier aussassen. Auch nicht schlecht, oder?

Weiter ging die Reise mit einem Umweg über Haapsalu (wunderschöne Altstadt) nach Tallinn. Wir haben Glück und unsere Wohnung ist in der wohl angesagtesten Gegend. Nur ein Steinwurf von der Altstadt, wohnen wir neben einer alten Fabrik, umgebaut zum Hypsterquartier mit Bars, Restaurants, Kino, Shops, Flohmi’s , usw. Der Altstadt selber statteten wir natürlich auch einen Besuch ab. Die Masse an Touristen (es lagen gerade zwei Aida Dampfer im Hafen) schlug uns aber schnell wieder in die Flucht. So genossen wir hier die Tage (4 insgesammt) vorallem in und um die Wohnung. Entspannung pur.  

Unser Russland Visum beginnt am 1. August. Bis dahin geniessen wir das endlich herrschende Sommerwetter in Estland. Wir sind sehr gespannt was uns in Russland erwartet und hoffen auf eine abwechslungsreichere Landschaft. Den Kontakt zu den Menschen wird wohl nicht mehr als im Baltikum sein – rar. So sind halt die Nationen verschieden.

Auf bald und lieber Gruss,

Körndle & Patrik

Polen, die Masuren und der Papst

Wir warteten noch die Lieferung unseres neuen Wasserfilters (MSR Guardian) in Deutschland ab, dann gings endlich über die Grenze nach Polen. Bereits die Grenzstadt Swinoujscie, verkündigt neues Leben im neuen Land. Ist der Ostseeteil in Deutschland doch eher ruhig und gesittet, stept nach dem Schlagbalken wieder der Bär. An unzähligen Marktständen wird Ramsch lauthals feilgeboten, Taxis und Kutschen warten auf Kundschaft und, der beibehaltenen Währung Zloti sei Dank, gibt es auch noch die altbekannte Wechselstube.

Die Strassen sind ab nun merklich schlechter und den Veloweg sucht man vergebens. Auch das Tempo der Autofahrer nimmt rassant zu. Überland, Stadtverkehr oder auf dem Parkplatz, die Devise scheint immer die selbe, Vollgas voraus. Nicht immer angenehm für den Radfahrenden. Aber nach dem Moto „Defensive ist der beste Schutz“, kriegen auch wir die Kurve. 

Kurz nach der Grenzstadt fahren wir bereits durch den ersten Nationalpark. Schöne Hügellandschaft direkt am Meer mit imposanten Klippen und dichten Wäldern säumen unsere Route. Auf einem netten, kleinen Camping stellen wir unser Zelt, kochen unser standart Abendmahl und erkunden die 6-7 Häuser der Ortschaft. Ausbeute der Erkundungstour, ein nettes Gespräch mit dem Bademeister und ein leckeres Eis. So macht Polen spass. 

Unsere Route führte weiter Richtung Kotoberzeg, Koszalin und Bytow nach Gdansk (Danzig). Leider stellte Petrus wiedermal auf Sturm und so radelten wir tagsüber eingehüllt in unsere Regenkleider und suchten abends ein trockenes Dach. Bald mal stellte sich heraus, das Essen in Polen ziemlich günstig ist (Abendessen 7-8 CHF/Pers.), die Übernachtung im Verhältnis dazu aber immer noch ihren Preis hat (DZ ab 50 CHF) hat. Aber wir wissen ja mittlerweilen, wie man zu den Schnäppchen kommt. 

Und so landeten wir in Danzig völlig durchnässt bei Adam in der Wohnung. Als die Fahrräder da auch noch mit hinein mussten, hatten wir fast ein schlechtes Gewissen, aber eben nur fast. 

Am nächsten Tag machten wir uns auf, die Stadt zu erkunden. Und wer noch nicht weiss wohin sein nächster Städtetrip geht, Danzig sollte definitv ganz oben auf die Liste. Danzig hat eine sehr schöne, grosse Altstadt. Wobei vieles wahrscheindlich gar nicht so alt ist wie es aussieht, haben die Aliierten der Stadt vor ca. 70 Jahren doch so einiges an Blei geschenkt. 

Wir verköstigten uns mit lokalen Spezialitäten, Pierogi (gefüllte Teigtaschen) und eine Suppe im Brot-Topf serviert. Auch fanden wir eine Gelateria die bereits seit über 50 Jahren besteht. Dies ist beachtlich, bedenkt man doch die Knappheit der Güter in der Zeit des Kommunismus. 

Die Weiterreise führte uns am Konzentrationslager Stutthof vorbei. Dieses zu Besuchen war heftig. Wir kennen alle die Grausamkeiten des zweiten Weltkriegs und der Judenverfolgung. Steht man aber auf den Steinen an denen einst das Blut unschuldiger Menschen klebte und schaut man an die Wände die noch stille Zeugen dieser Zeit sind, dann fühlt man sich unendlich traurig im Wissen zu welchen Schandtaten die Menschheit fähig ist. 

Nach einer Nacht in Elblag wollten wir die Schiffsaufzüge des Oberlandkanals erkunden. Um den Höhenunterschied im Gelände zu überwinden, entschied man hier anstelle der üblichen Schleusen, Schrägaufzüge getrieben aus reiner Wasserkraft zu Bauen. Einst des Güterverkehrs gedacht, benutzen die Anlage heute nur noch Touristenschiffe. Sehr eindrücklich, wenn man ein Schiff am Horizont auftauchen sieht und da nur grüne Wiese ist. 

Unsere nächsten Destinationen waren Morag, Lutry, Wegorzewo und Goldap, bevor wir die Grenze nach Litauen überschritten. Besser bekannt als die Masurische Seenplatte oder einfach Masuren, ist die Landschaft ein Mix von Weideland und Wälder durchzogen mit vielen Binnengewässer. Die sanften Hügel, das wenige Vieh und die Höfe ähneln sehr stark dem Schweizer Jura. 

Ebenfalls omnipräsent im ganzen Land sind die mächtigen Kirchen und Klöster. Das Papst Johannes Paul der II als einer der Ihren in den Vatikan geholt wurde, ehrt die gläubigen Polen besonders. Nur den Fremden gegenüber geben sich die Leute ziemlich verschlossen. Nicht mal ein nettes „Dobre“ (kurzform für guten Tag) kriegt man, geschweigen den ein Lächeln geschenkt. Für uns jedenfalls zeimlich ungewöhnlich nach all unseren Begegnungen im letzten Jahr.  

Auf unserem Tagesprogramm stand auch ein Besuch der Bunkerstätte Wolfsschanze an, wo sich A. Hitler von 1941 bis 1944 die meiste Zeit aufhielt und seine Grausamkeiten dirigierte. An diesem Ort wurde am 20. Juli 1944 auch das einzige Attentat auf ihn ausgeführt, erfolglos. 

Und so sind wir nun bereits in Litauen und steuern in Richtung Riga, Lettland weiter nordwärts. 

Lieber Gruss, 

Körndle & Patrik

 

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