Nach der ganzen Anstrengung mit Fahrkahrten für uns und unsere Räder zu organisieren, waren wir nun doch etwas angespannt, was uns den erwarten würde. Damit die Zeit nicht auch noch ein Stressfaktor wird, begaben wir uns gute 2h vor Abfahrt an den Bahnhof. Nur werden die Züge in Russland erst ca. 40min vor Abfahrt angeschrieben und so mussten wir warten um nicht auf dem falschen Perron zu landen.
Dabei beobachteten wir 3 junge Leute, wie diese Gepäckstück um Gepäckstück auf in die Bahnhofshalle zügelten. Wohin die wohl wollen mit all dem Zeugs, fragten wir uns.
Nun gut, unser Zug wurde aufgerufen, wir eilten auf’s Perron, entluden unsere Fahrräder, demontierten das Vorderrad, packten die Velos in Abfallsäcke (ja, in Russland müssen die Fahrräder auf dem Zug verpackt sein), zwängten das ganze in ein leeres Abteil der 2. Klasse und begaben uns zu den zugewiesenen Betten in der 3. Klasse. Schon komisch, wenn das Material besser reist als wir selber 🙂 .
Wir hatten zwei Betten oben, das war alles was beim Buchen noch übrig war. Unter uns logierten zwei ältere Damen und mit ihnen hatten wir, na ja, nicht gerade Spass aber sie boten uns immer wieder Süssigkeiten an und überliesen uns ihr Bett, wenn wir essen wollten.
Essen ist auch ein gutes Stichwort. Vor der Abfahrt deckten wir uns mit Nudelsuppen, Karotten, Güetzi, Tee und Kaffee ein. Es gibt zwar ein Restaurantwagon, doch dort geht irgendwie niemand essen. Eine weitere Quelle für Nahrung sind die Mamuschkas (alte Damen) auf den Perrons, welche ihre lokalen Leckereien anbieten (Fisch, Fleisch, Kartoffeln, Gurken und Tomaten). Hungern mussten wir also nie. Zudem gibt es teils längere Stops, 30min – 1h, wo man auch schnell in den nächsten Supermarkt laufen kann. Man sei jedoch gewarnt, die russische Eisenbahn fährt pünktlich. Ja, fast noch pünktlicher als in der Schweiz. Bedenkt man die Strecke (Moskau – Irkutsk = ca. 4000km) hatten wir nie mehr als 2-3min Verspätung. Unglaublich.
So zogen die ersten Tage an Bord ins Land. Das Programm vor dem Fenster wechselte nicht wirklich. Wald, Wiese und ab und zu mal ein Ort. Trotzdem wurde es einem nie langweilig. Man hat ja genug Lesestoff mit oder unterhält sich mit anderen Reisenden. Klar, unser Russisch ist „chu-chu = ein wenig“, doch die drei mit dem riesen Gepäck waren Kristina, Killian und Julius aus Berlin und reisten im gleichen Wagon wie wir.
In Novosibirsk (halbe Strecke) wendete sich das Blatt. Als eine der älteren Damen ausstieg, wurde sie durch einen stinkenden, übel aussehenden Russen ersetzt. Und wenn wir sagen stinkend, dann könnt ihr euch nur halb vorstellen, wie streng die Körpergerüche waren, die er von sich gab. Zum Glück ist Rauchen und Alkoholtrinken in den Abteils strickt verboten. Denn wer weiss, was uns sonst noch alles erwartet hätte.
Nach 4 Tagen und 4 Nächte spickte uns der Zug in Irkutsk wieder aus. Wir sind angekommen in Sibirien. Wer jetzt aber an Kälte, Schnee und Bären denkt, liegt falsch. Irkutsk ist eine Grossstadt wie jede andere in Russland. Eine alte Strassenbahn schlängelt sich durch die Strassen und die meisten Gebäude sind bereits in die Jahre gekommen oder gar nicht mehr bewohnbar.
Bei 30 Grad und mehr radelten wir am nächsten Tag los Richtung Baikalsee. Die Insel Olkhon liegt etwa 300km von Irkutsk entfehrnt, wobei man von der Strasse aus den See erst auf den letzten 50km sieht. So radelten wir erst durch bekannte Vegetation mit grünen Wälder und Wiesen, diese stellte dann um auf trockene Steppe und endete am See in der russischen Taiga. Genau so abwechslungsreich waren auch die Zeltplätze welche wir in der Natur fanden. Wobei der See von einem Ring aus Hügel (3-400m hoch) umgeben ist, was uns eine atemberaubende Abwechslung zum Flachland bot.
Alles in allem also eine schöne Strecke, wären da nicht die letzten 35km. Man passiert eine Engstelle am See mit einer Fähre um auf die Insel zu gelangen. Von da an sind die Strassen nicht mehr geteert und in einem desolaten Zustand. Die Autos suchen sich eigene Wege neben der Hauptpiste und trotzdem wird man durchgeschüttelt wie bei einem Rodeoritt. Das zerrte an unserer Kraft und Nerven. Aber die Schönheit der Insel war guter Lohn für die Anstrengung und so erholten wir uns 2 Tage in Kushir, dem Hauptort und einzigen Dorf auf der Insel.
Der Baikalsee soll über 25 millionen Jahre alt sein, ist mit einer max. Tiefe von 1600m das tiefste Binnengewässer und fasst ein Fünftel des weltweiten Süsswasservorkommens. Durch seine Tiefe wird das Wasser an manchen Stellen nicht wärmer als 6-7 Grad. Manche Leute fahren sogar an den See um sich einer Radon-Behandlung zu unterziehen. Das radiokative Material soll durch die Tiefe des Sees freigesetzt werden. Tja, „wenn’s schee macht“!
Bei Kushir ist der See allerdings flächer (wird auch kleines Meer genannt) und bietet im Sommer angenehmer Badespass. Im Winter gefriert der See komplett zu, sodass man mit den Autos darauf fahren kann. Zudem ist die Insel Olkhon ein heiliger Ort für die Schamanen, welche in der Natur ihre Religion sehen und an entsprechend schönen Orten ihre Rituale vollbringen.
Eigentlich wollten wir per Schiff über den See an die Ostseite und dann weiter nach Ulan-Ude. Doch so eine Bootsverbindung gibt es leider nicht und ein ganzen Schiff zu chartern für 700€ war uns dann doch zu teuer. Also ging die Reise wieder zurück nach Irkutsk, diesmal jedoch per Bus. Dort trafen wir am Samstag unsere drei Freunde aus Berlin wieder und verbrachten einen lustigen Abend in der Ausgangsmeile im Ort.
Wir umradelten nun die Südspitze des Baikalsees um nach Ulan-Ude zu gelangen. Die Fahrt dauerte 5 Tage, wobei das Wetter auch wiedermal auf und ab spielte. Am dritten Tag landeten wir in einem Touristenort direkt am See, aber natürlich einen Touristenort nach russischem Standard. Unser Logie hatte ein Plumsklo im Innenhof, Dusche waren im Hauptgebäude, dafür stand uns eine kleine Küche zur Verfügung. Im ganzen Haus roch es jedoch nach Toilette, und die Anlage hatte die besten Tage bereits hinter sich. Aber warm hatten wir allemal.
Nun sind wir in Ulan-Ude, der buddistischen Hauptstadt Russlands. Erstaunlich ist, dass hier der buddhistische Glauben eine Tempelanlage erstellen konnte, zur Zeit, als Stalin jegliche Religionen nicht christlicher Herkunft verbat.
Morgen steigen wir erneut in den Zug um uns nach Vladivostok transportieren zu lassen. Das heisst erneut 3 Tage und 3 Nächte in einem Wagon mit 52 anderen Reisenden. Mal schauen was uns diese Fahrt so alles an Abenteuer bringt. In Vladivostok besteigen wir am 30.08 die Fähre nach Südkorea. So werdet ihr von uns erst wieder hören, wenn wir bereits in Südkorea sind. Aber die Berichte werden sicher nicht weniger spannend sein.
Liebe Grüsse,
Körndle & Patrik
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