Die Freude des Wiedersehens war gross. Mehr als 6 Monate kommunizierten wir nur per Whatsapp, Telefon oder e-Mail. Und endlich war Cornelia wieder da, bei mir, am Reisen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich sie so vermissen werde.
Da ich bereits einen Tag vorher in Minneapolis eintraf, konnte ich unser Mietauto in Empfang nehmen und mich damit vertraut machen. Also nicht unbedingt mit dem Auto sondern mehr mit dem schnellen Vorwärtskommen. Nach so lange auf dem Fahrrad, musste sich mein Gehirn erst wieder an die Geschwindigkeit, mit der Dinge im Auto passieren/pressieren, gewöhnen. Eine kleine Delle gabs dann schon, aber wir waren gut versichert 🙂 .
Die ersten Tage waren wir bei Jon und Janet zuhause. Und dort durfte ich auch mein Fahrrad für die Tage mit Cornelia stehen lassen. Denn wir waren ja jetzt motorisiert. Mit dem Auto brausten wir tagsdarauf von Shoppingzenter zu Shoppingzenter. Amerika ist halt auch das Land des Shoppens und dem wollten wir folge leisten. Natürlich besuchten wir auch Downtown Minneapolis, doch ehrlich gesagt, gleicht die einte Grossstadt doch der Anderen.
Und so cruisten wir am Samstag Richtung Norden, zum Lake Supirior. Angekommen in Duluth, brauchten wir geschlagene 3h um eine bezahlbare Unterkunft zu finden. Tja, mit dem Velo ist das einfacher. Da sucht man sich ein Plätzchen im Wald, rollt das Zelt aus und gut ist. Aber vielleicht waren wir bei der Suche auch einfach etwas heikel, was Preis / Leistung angeht. Wobei man auch erwähnen muss, es war Wochenende und so einiges los im Ort. Ein Autorennen (Drag Car Race) über 1/4 Meilen, ein Bauernmarkt und ein Anglerwettbewerb zogen, nebst dem schönen Wetter, die Massen nach Duluth.
Von nun an folgten wir dem nördlichen Ufer des Lake Supirior und überschritten recht schnell die Grenze nach Kanada. Da wir Zelt und Ausrüstung zum Campen mit hatten, wollten wir natürlich auch so unsere Nächte verbringen. Der erste Zeltplatz war ganz gediegen, direkt am See (leider war das Wetter zu kalt zum baden) mit Toilette und warmer Dusche. Für die zweite Nacht im Zelt entschieden wir uns bei einer Tankstelle den Stop einzulegen, was weniger romatisch war. Neben der Dauerbeleuchtung, hupten und brummten die Trucks die ganze Nacht über um unser Zelt herum. Aber die einmalige Landschaft aus Wald, Felsen, Natur pur und dem See entschädigte für vieles. Einzig die Wildtier liesen sich nicht blicken. Von Tag zu Tag wurde das Wetter wieder wärmer und so hielten wir immer mal wieder an um ein kühles Bad im See zu nehmen.
Über Sault Ste. Marie gings zurück in die USA. Nun dem Südufer des Lake Supirior folgend fanden wir kurz darauf einen super schönen Sandstrand, menschenleer. Wir liesen uns nicht zweimal bitten, hüpften ins Badezeugs und ab in den See. Irgendwie waren wir aber schneller wieder draussen als drin. Nun wurde uns klar, wieso hier niemand baded. Das Wasser ist a***h kalt! So düssten wir weiter ins Städtchen Marquette. Eine idillische Altstadt (so alt es in Amerika halt sein kann), mit einer hässlichen Industriezone im Norden. In dieser Gegend wird immer noch viel Bergbau betrieben (Eisenerze). Cool war aber, das die lokale Brauerei am Freitag gerad ein neues Bier einweihte und wir so zu einem netten Konzert (mit leckerem Bier) kamen.
Nun verliesen wir den See und querten Inland in die Iron Mountains. Eisen mag es da ja geben, aber Berge? Nun ja, wer die höchste Erhebung im Umkreis von 500km in seiner Gemeinde hat, darf wohl schon von Bergen sprechen. Oder macht es die Skisprungschanze aus? Und da wir schon mal in den Bergen waren, gingen wir natürlich Wandern. Mit Picknick und allem drum und dran. Nur eben, irgendwie fehlte der Hauptdarsteller im Film, die Berge eben.
Weiter gings zum Lake Michigan und somit auch schon in die Zielgerade nach Chicago. Der See lud noch mal so richtig zum Baden ein. Denn obschon die Seen miteinander verbunden sind, ist der Lake Michigan doch etliches wärmer als der Lake Supirior.
Habe ich vorher gesagt, alle Grossstädte gleichen sich? Nö, Chicago ist anders. Ist es die Metro, die nicht unterirdisch sonder im Obergeschoss fährt und man den Leuten direkt in die Wohnung schauen kann? Oder ist es weil man Al Capone hinter jeder Häuserecke erwartet? Egal, die Stadt ist grossartig und hat uns beiden sehr gut gefallen.
Und dann hiess es am Flughafen bereits wieder Abschied nehmen. Cornelia düsste zurück in die Schweiz und ich nach Minneapolis.
Der Sommer, so schien es, packte Cornelia auch gleich mit ins Gepäcke. Von nun an hielt ich die Regenjacke immer griffbereit. Oft für das Nass von oben, manchmal aber auch um der kalten Bise zu trotzen. Zum Glück fand ich immer wieder nette Leute, die mir einen Platz zum Übernachten anboten. Denn die Temperatur fiel in der Nacht teils sogar unter den Gefrierpunkt.
Meine Route führte mich zurück nach Sault Ste. Marie und Kanada. Eigentlich wollte ich den Indian-Summer, mit der farbigen Blätterpracht erleben. Leider war oft das einzige Rot das ich sah, die Kaputze meiner Regenjacke. Ein Lichtblick war, als ich am Tag vor dem kanadischen Thanksgiving zum Abendessen eingeladen wurde. Das war ein Schlemmermahl, mit allem was dazugehört. Truthahn, Kartoffelstock, Gemüse, Cranberrysauce und natürlich Pumpkin-Pie zum Nachtisch. Und an diesem Abend lernte ich auch gleich meine Gastgeber bei den Niagara Falls kennen. Nachdem ich bereits in Toronto bei der Familie Agnew (Schwester von Mat aus Vancouver) 3 erholsame Tage ausspannen konnte, beherbergten mich Allain und Melanie für 2 Nächte. Somit konnte ich stressfrei die berümten Wasserfälle besuchen. Imposant, wie viel Wasser da jede Sekunde herunterfällt. Und für nordamerikanische Verhältnisse konnte man auch super nah an die Wasserfälle ran. Nicht verwunderlich, dass da jedes Jahr jemand unfreiwillig ein Bad mit Attraktion zu sich nimmt (leider meist das letzte für diese Person).
Die letzten 900km auf nordamerikanischen Boden brachten mich nach Boston und somit an meine Enddestination auf dem amerikanischen Kontinent. Die Tage nach Boston waren durchzogen von sonnigem, kalten Wetter gespickt mit immer mal wieder etwas Niederschlag. Leider waren auch hier die Wälder noch nicht in der leuchtenden Farbenpracht, welche ich gerne gesehen hätte. Die Einheimischen machen sich sogar bereits Sorgen. Denn fallen die Blätter nicht vor dem Schnee, so brechen meist die Äste und diese fallen auf Stromleitungen oder Strassen was mit Ausfällen einherzieht. Meine Routenwahl führte mich hauptsächlich über Nebenstrassen und so war es ziemlich verkehrsarm. Denn mit der Nähe zu Boston merkt man, dass die Leute geschäftiger werden. Eine Hand am Steuer, die Andere am Telefon und der Kopf weiss ich nicht wo! Oder schnell noch bei Dunkelorange über die Kreuzung, man hat es ja pressant. Grossstadtfeeling halt. Oder fällt mir das nun einfach mehr auf?
Von Boston aus wurde ja das meiste der neuzeitlichen Amerikageschichte geschrieben. Sie ist eine der ältesten Städte Amerikas. Hier landeten die ersten Einwanderer aus England. Zudem spielte Boston eine entscheidende Rolle in der amerikanischen Revolution (Ende 17Jh.). Und diese Geschichte sieht man immer noch deutlich bei einem Besuch der Stadt. Was mich persönlich aber mehr beeindruckt, ist die dichte an Wissen in Boston. Mit Harward und dem MIT sind zwei der meist geachtetsten Hochschulen hier anwesend, neben zahlreichen anderen Campus. Bei einem Fussmarsch durch Harward spürt man regelrecht die geistliche Energie, die hier vorherscht.
Blicke ich zurück, realisiere ich erst langsam, was für ne Distanz ich seit Alaska zurückgelegt habe. Klar es sind sicher gute 10’000km aber es sind vorallem die langen Gesichter der Leute, wenn ich ihnen von meinem Trip in Nordamerika erzähle, wo ich die Distanz wirklich erfasse. Im Gegensatz dazu, sage ich den Leuten, dass wir bereits in der Schweiz gestartet sind und ich um die Welt radle, dann erhalte ich von den meisten Amerikaner nur ein Nicken, denn sie verstehen gar nicht wie soetwas geht und/oder können sich gar nicht vorstellen was das heisst.
Und so habe ich alle Karten in Nordamerika ausgespielt, die Kisten gepackt und sitze am Flughafen um den letzten Flug dieser Reise anzutretten. Ich freue mich riesig auf Lissabon. Zum Einten, weil ich da Cornelia wiedersehe und zum Andern einfach zurück in Europa zu sein, nahe an der Schweiz, nahe an der Heimat.
Lieber Gruss, Patrik
28. Oktober 2018 at 12:42
Lieber Patrik,
zurück nach Europa und wieder nahe der Heimat! Da kling doch etwas Heimweh an, nach dieser l a n g e n Reise. Aber in deinem wunderbaren Text kommt auch Wehmut auf, im Blick zurück auf all das Erlebte. D u hast es nun fast geschafft, die Muskelkraft getriebene Umrunden unserer Erde, eine grossartige Leistung. Bei all der erlebten Vielfalt von Landschaften, Städten und Wegstrecken, sind es wohl die Menschen, die das wirkliche Band um diese Welt spannen, und etwas zurück lassen, das nur dir gehört. Die erwähnte Ignoranz der Amerikaner erstaunt mich nicht; sie zeigt das beschränkte Weltbild, das viele Bürger dort teilen. Aber selbt wir begreifen nicht ganz, wie man sich Tag für Tag, von Ziel zu Ziel gegen Wind, Kälte und Nässe aufraffen kann, um dieses persönliche Projekt zu vollenden.
Fast ist es soweit, noch aber trennen wirkliche Berge Lissabon von der Schweiz, es sei denn, du folgst der langen Küste.
Wir wünschen auf dieser letzten Wegstrecke alles Gute und grüssen herzlich
Paul un Liselotte
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28. Oktober 2018 at 14:39
Lieber Patrik, Vielen Dank für den wiederum interessanten Reisebericht. Ich habe deine Berichte immer gerne gelesen und mich damit in die weite Welt tragen lassen. Nun freue ich mich darauf, dass du sehr bald wieder nach Hause zurückkehrst und uns dann face to face noch mehr Details deiner Reise erzählen kannst. Bis dahin wünsche ich dir weiterhin viel Gastfreundschaft und vor allem eine unfallfreie Rückkehr in die Schweiz.
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